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Horst Gauss | |
| Kurtchen Becker und " Altstadt - Ede "Es war Ende der Sechziger Jahre, da gab es beim CCS einen guten Boxer, namens Kurt Becker, kurzum „Kurtchen“ genannt. Übrigens war es 1966 der erste Jugendliche des CSC, der einen Jugendtitel gewann. Leider war Kurtchen ein wenig auf Abwege geraten und seine Ringauftritte wurden immer seltener. Doch ab und zu überkam es ihn, die Erinnerungen an die schönen alten Zeiten, als er sich im Schlachthof mit Werner Schäfer aus Mülheim herumschlug und frenetisch vom Publikum gefeiert wurde. Er war ein toller Draufgänger, auch wenn er nur eine „Fliege“ war.. Irgendwann wieder einmal erschien Kurtchen in der Boxschule und meinte er wolle ein neues Leben anfangen, streifte sich die Trainingshandschuhe über und bearbeitete den Sandsack. Schnell waren sich Ulf Rausch und Kurtchen Becker einig, ihn bei der in wenigen Monaten beginnenden Hessenmeisterschaft zu melden. Da Kurtchen immer noch Fliegengewicht brachte und in Hessen doch nur so wenige Fliegengewichtler waren, rechnete man sich in diese Gewichtsklasse eine Chance für Kurtchen aus. Gesagt, getan. Kurtchen wurde gemeldet, und glänzte danach, wie schon so oft durch Abwesenheit. Er war auch nicht mehr auffindbar und die Wochen sie rannen dahin, ohne dass Kurtchen Becker auch nur eine Trainingseinheit absolviert hätte, Längst hatte man beim CSC die Hoffnung aufgegeben und als Kurtchen auch in der Woche vor seinem geplanten Kampf gegen Frank Müller aus Kassel nicht auftauchte, meldete man ihn kurzerhand beim Hessischen Amateurboxverband ab. Der Teufel wollte es, dass CSC-Manager Horst Gauß am Kampftag, es war ein Samstag, durch Sachsenhausens alte Gässchen schlich und Kurtchen Becker mit einem üblen Kumpanen bierseelig in der Gaststätte „Bei Margot“ traf. Die Vorwürfe des Managers waren gewaltig und endeten mit angedrohtem Ausschluss aus dem Verein usw. Wütend warf Gauß Becker den Kampfplan vor die Füße, wo die Paarung Becker gegen Müller als auch der Kampfort, es war irgendwo im tiefsten Hessen, verzeichnet war, und verließ das Lokal. Für ihn war der Fall Becker erledigt. Nicht ahnen konnte er, dass Kurtchen nun Gewissenbisse bekam, verstärkt durch den hohen Bierkonsum und die Tatsche, dass er den Zettel mit seiner Kampfpaarung in der Hand hatte. Also wollte Kurtchen Wiedergutmachung. Er packte seinen dickbäuchigen Kumpel aus der Altstadt, der eher einem Schiffschaukelbremser ähnelte als einem Boxtrainer und ließ sich von diesem nach Oberhessen zur Boxveranstaltung fahren. Noch war ja Zeit für ihn, noch konnte er sich rehabilitieren. Kurtchen hatte Glück! Die Abmeldung des CSC war zu spät beim Verband eingegangen und sein Gegner Frank Müller war also auch anwesend. Außerdem, welch hohe Ehre für Kurtchen Becker, auch das Fernsehen war da, und hatte sich just seinen Kampf zur Übertragung ausgesucht, weil Frank Müller als ein großes Talent galt, das man einer breiten Öffentlichkeit vorstellen wollte. Nun wusste ja niemand vom CSC von Kurtchens Alleingang, es war also auch kein Verantwortlicher, kein Trainer des CSC da, Auch hatte ja Kurtchen keine Kampfkleidung dabei, weder Bandagen noch Tiefschutz, noch einen Pass. Doch alles ließ sich irgendwie regeln. Hauptsache Frank Müllers Gegner war da. Auch der Sekundant war schnell gefunden, wer konnte es anders sein als „Ede“, der Schiffschaukelbremser, Kurtchens bester Kumpel, er schien den anderen Trainern schon ein seltsamer Sekundant zu sein, doch kannte ihn ja keiner, und wer weiß, was die Frankfurter da wieder ausgegraben hatten. Kurtchen und Ede, plötzlich zum Mittelpunkt der Boxinteressierten avisiert, fühlten sich nun gar nicht mehr wohl in ihrer Haut, schließlich mussten sie ja nun Farbe bekennen. Kurtchen hatte seinen letzten Kampf vor vier Jahren gemacht und Ede wusste nicht einmal was ein Sekundant war. Trainiert hatte Kurtchen in den vergangenen 4 Jahren einmal, das war der Trainingsabend vor einigen Monaten mit den guten Vorsätzen gewesen. Doch beide kamen gar nicht zum Nachdenken. Den Weg zur Waage schafften sie noch, auch der Arzt merke „Gott sei Dank“ nichts davon, dass sich da zwei Trunkenbolde im Zimmer aufhielten und als sie in die Kabine zurückkamen, welch Wunder, war da schon eine Fernsehkamera auf sie gerichtet um ihre Kampfvorbereitungen zu begutachten. Wie schnell konnte sich doch die Welt verändern. Vor einigen Stunden noch waren sie zwei arme betrunkene Taugenichtse, die sich in Sachsenhausen herumtrieben und nun dieser Szenenwechsel. Plötzlich standen sie im Rampenlicht. Kurtchen wickelte fachkundig seine Bandagen, das hatte er nicht verlernt, sein Sekundant Ede riss große Sprüche in der Kabine und bekam die Bierflasche kaum vom Hals. Auch Kurtchen trank noch einen kräftigen Schluck, so konnte es besser gehen. Und schon mussten sie zum Ring. Wieder waren die Fernsehkameras auf sie gerichtet, es war ergreifend. Ergreifend war der Anblick dieses seltsamen Gespannes für die Zuschauer und Funktionäre allerdings nicht, eher beschämend. Da schlich ein ungepflegt aussehender, mit schulterlangen Haaren versehener Kurtchen Becker zum Ring. Ohne Handschuhe, mit Turnschuhen, ohne Tiefschutz dafür aber mit einem seltsamen, fetten, angetrunken wirkenden, hemdsärmeligen Sekundanten. Ein Gespann , über dessen Erscheinen hier am Ring, sich Gedanken zu machen, jetzt zu spät war. Kurtchen kam noch einigermaßen die Treppe hoch, linkische Bewegungen im Ring vollführend und hilfesuchend in die Menge schauend. Schiffschaukelbremser Ede schrie in die Menge: „Geb mer mol ener en Tiefschutz un e paar Handschuh!“ Mit 10-minütiger Verspätung und einem seltsamen Striptease von Kurtchen Becker (er musste ja noch die Hose ausziehen um einen geliehenen Tiefschutz anzulegen) begann der Kampf. Die Fernsehkamera surrte, der Gong ertönte und ein entschlossener Frank Müller kam aus seiner Ecke. Nicht so entschlossen wirkte Kurtchen, der gleich nach der ersten linken Geraden seines Gegners überraschend Schlagwirkung (Schlagseite) zeigte und sich die viel zu große Hose wieder hochzog.. Da stimmte doch etwas nicht. Das merkte nun auch der letzte Zuschauer in der Halle. Während Kurtchen überhaupt keine Anstalten machte zu kämpfen, er winkte einfach ab, schrie sein Kumpel Ede aus der Altstadt, am heutigen Tag sein fachkundiger Sekundant, ihn an: „Los, hauem auf die Fresse, ich glaub du spinnst, hau ihn um!“ Doch Kurtchen wollte nicht umhauen, dafür hatte er ja gar keine Kraft, immerhin hatte er ja schon 20 Sekunden dem Schlaghagel von Frank Müller standgehalten. Das war genug. Er wollte aufgeben, auch seine Hose hing schon wieder an den Knien, sie war viel zu groß, was mochten nur die Leute denken...ja, und dann das Fernsehen. Nein, jetzt war Schluss, Er hob die Hand zum Zeichen der Aufgabe, mit der freien Hand zog er sich die Hose hoch. Doch da hatte er die Rechnung ohne Ede gemacht. Der schrie ihn an: „Du feiges Schwein, dafür fahr ich 150 Kilometer hierher, damit du den sterbenden Schwan machst!“ Wütend wälzte er seine 120 Kilo die Ringtreppe hoch und schubste Kurtchen Becker zurück in den Ring. „So was machst du nicht mit mir!“ Kurtchen schrie nun seinerseits zurück, zur Belustigung des Publikums und der vielen Fernsehzuschauer. Schließlich zogen einige Helfer den wild um sich schlagenden Altstadt – Ede die Treppe hinunter und Kurtchen konnte endlich den Ring verlassen. Zur Siegerehrung trat er nicht mehr an. Auch in der Halle ward er nicht mehr gesehen. Auch Schiffschaukelbremser Ede zog es wohl vor, nachdem er sich beruhigt hatte, heimlich still und leise ohne großes Aufsehen die Halle zu verlassen. Und dabei hatte doch alles so traumhaft begonnen............. |
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