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Horst Gauss | |
| Little Adams und sein Traum von der WeltmeisterschafttIrgendwann im Herbst 1965 tauchte in der Boxschule des CSC Frankfurt ein kleiner schwarzer Afrikaner namens Adams auf. Er konnte nur wenig Englisch , kaum genug, um sich damit einigermaßen verständlich zu machen und es war schwer etwas aus ihm heraus zu bekommen. Adams kam aus Nigeria und hatte lediglich ein kleines Köfferchen und einen Brief bei sich, der ihm allerdings viel wert zu sein schien. Er hielt das Papier mit bedeutungsvollem Gesichtsausdruck in seiner rechten Hand, in einer Art, die jeden Betrachter der Szene neugierig machen musste. Es war ein Brief von dem Frankfurter Box - Enthusiasten und Kleinring - Manager Gerd Riethenauer an ihn nach Afrika gesandt. Riethenauer pflegte mit vielen Boxern in der ganzen Weit briefliche Kontakte, so auch mit Adams aus Nigeria. Einen solchen Brief präsentierte nun der kleine Mann den verdutzten CSC - Boxern voller Stolz, so als wäre dieses Schreiben eine Legitimation, ja ein Freibrief für den gesicherten Aufenthalt in Deutschland. In dem Brief hatte Gerd Riethenauer Adams um ein Autogramm gebeten. Adams, seines Zeichens nigerianischer Profi-Meister im Fliegengewicht, (es gab allerdings nur 3 Fliegengewichtler in Nigeria ) hatte die Bitte um ein Autogramm wohl etwas zu intensiv verstanden und wollte Gerd Riethenauer sein Autogramm wohl persönlich überreichen. Auf jeden Fall stand er nun vor uns, und wir mussten wohl oder übel Gerd Riethenauer herbeizitieren. Der schaute natürlich ein wenig verlegen drein und wusste nicht so recht, wie er diese persönliche Darbietung verstehen sollte, und, was er mit dem kleinen Burschen anfangen sollte Eigentlich war dessen Anliegen gar nicht so schwer zu verstehen, "Little Adams", so wurde er fortan liebevoll von allen CSC - Boxern genannt, wollte ganz einfach aus Nigeria weg, nach "Golden Germany", wo es für ihn, den kleinen Meister aus Afrika, wohl bessere Bedingungen geben würde. In Afrika gab es nur "little money" für die Boxkämpfe, aber in " good old Germany ", so war ihm in Nigeria gesagt worden, gäbe es für die Kämpfe " big money " . Little Adams träumte von einem schönen Haus, einem gut bezahlten Job und natürlich von einem ganz großen Kampf, der ihm viel Geld bringen würde. Denn "Little Adams" hatte nur ein ganz großes Ziel vor Augen , er wollte unbedingt Box - Weltmeister werden. Nun war guter Rat teuer. Mit der Suche nach einer schönen Wohnung war das nicht so ganz einfach. Niemand wollte "Little Adams" eine Wohnung vermieten. Auch der "Mäuseturm", die kleine vom CSC angemietete Mansarde (3,20 x 2,50 Meter) im Länderweg, die den CSC während seiner gesamten Vereinsgeschichte begleitete, war gerade von einem anderen Boxer belegt , und so entschloss man sich beim CSC, "Little Adams" erst mal in der Sportschule schlafen zu lassen. Die Boxer konnten ihn ja auch als Sparringspartner gebrauchen. Es zeigte sich sehr bald, " Little Adams" war ein angenehmer Zeitgenosse, der keinerlei Schwierigkeiten machte und so bescheiden lebte, dass einem fast bange werden konnte. Die Schlafmöglichkeit in der Sportschule mit einer gewöhnlichen Matratze, die er tagsüber in einer Ecke der Umkleidekabine verstaute, war für ihn ungewöhnlicher Luxus . So etwas kannte er in Nigeria nicht. Auch der Job als Tellerwäscher, den ihm Gerd Riethenauer in einer Gaststätte im Grüneburgweg besorgt hatte, war für ihn "der Himmel auf Erden". Dass er dort allerdings kräftig übers Ohr gehauen wurde, störte ihn nicht. Er bekam nur DM 4,-Stundenlohn. Doch diese vier Mark Stundenlohn waren für ihn persönlich sehr viel, mehr, als er zunächst erwartet hatte. Sein großes Ziel war ja ein anderes. Irgendwann, so hoffte "Little Adams", würde ja sein großer Kampf kommen, sein Kampf um die Weltmeisterschaft, der ihm so viel Geld bringen könnte, dass er und seine ganze Familie in Nigeria für immer versorgt wären. Sein Vorbild war der damalige Mittelgewichts - Weltmeister Dick Tiger aus Nigeria. Ihm wollte er nacheifern. Auch Dick Tiger hatte einmal als Tellerwäscher angefangen. "Little Adams" hatte sein großes Ziel, und er hatte Stil. Er war dankbar für jede kleine Aufmerksamkeit, die man ihm entgegen brachte. Auch boxen konnte er, zwar nicht so gut, dass er damit Weltmeister hätte werden können, doch er war als Sparringspartner brauchbar. Der kleine Nigerianer war mit sich und der Welt zufrieden. Jeden Tag verdiente er DM 20,-, ein Vermögen für den kleinen Boxer, der jeden Nachmittag nach der Arbeit sein Training nach einem festen Ritual absolvierte. "Little Adams" holte sein kleines Köfferchen aus der Umkleidekabine. Fein säuberlich hatte er darin seine gesamten Utensilien sortiert, und nun bereitete er sich auf sein Training vor, als müsse er gleich um die Weltmeisterschaft boxen. Er zog auch zum Training seine goldene Boxerhose und seine schwarzen Boxerstiefel an, schlüpfte in seinen goldenen Bademantel, wickelte ca. 10 Minuten lang in unendlicher Ruhe seine Bandagen, streifte sehr sorgfältig seine Ballhandschuhe (Sandsackhandschuhe) über, zog seinen Bademantel wieder aus und begann mit Schattenboxen. Keine Hast, keine Unruhe ging von ihm aus, es war eine Lust, ihm zuzusehen. Nach ca. 2 Stunden war "Little Adams" mit dem Training fertig. Wieder, nach einem festen Ritual, wusch er sein verschwitztes T - Shirt in der Dusche und verstaute die anderen Sachen in seinem Köfferchen . Seine letzte Amtshandlung war das korrekte Aufrollen der Bandagen, das jedesmal mindestens 20 Minuten dauerte. Alles musste bei ihm im Detail stimmen. Auch der Bademantel, sorgfältig zusammengelegt, verschwand wieder in dem kleinen Köfferchen, das er wie ein Heiligtum hütete. Wenn dann nach dem Training alle Boxer die Sportschule verlassen hatten, dann holte "Little Adams" einen kleinen Kocher hervor, den man ihm gekauft hatte und kochte sich die seltsamsten Gerichte aus Blättern, Gräsern und Wurzeln, Gerichte, die kein Europäer je gegessen hätte. Diese seltsam anmutenden Gerichte kosteten "Little Adams" nur Pfennige, aber das Essen war für ihn ausreichend und er beklagte sich nie über Hunger. Nach seinem Abendessen holte er seine Matratze aus der Umkleidekabine und schlief. Er träumte jede Nacht vom Weltmeisterschaftskampf . Dieser Traum war so schön, und doch war dieser so sehr von ihm ersehnte Kampfer so weit weg. "Little Adams" wusste nicht, vielleicht wollte er es auch nicht wissen, dass man da vorher viele Ausscheidungskämpfe austragen musste um an solch einen Kampf zu kommen. Für ihn, den kleinen Mann aus Afrika, gab es nur das eine Ziel: " Einmal um die Weltmeisterschaft kämpfen! " Dafür arbeitete und trainierte er, dafür lebte er. "Little Adams" konnte mit den 100 Mark, die er in' der Woche verdiente, monatelang leben, denn ab und zu bekam er ja auch etwas von seinen neuen Freunden zugesteckt. Der kleine Afrikaner hatte auf jeden Fall bereits ein ansehnliches Sümmchen gespart, als endlich seine große Stunde schlug. Sein Manager aus Verlegenheit, Gerd Riethenauer, der ja eigentlich nur ein Autogramm von "Little Adams" wollte, hatte sich monatelang um einen Kampf für seinen Schützling bemüht. Das war nicht so einfach, weil es ja kaum Boxer in den niedrigen Gewichtsklassen in Deutschland gab. Doch endlich war es soweit. Zwar war es kein Weltmeisterschaftskampf, doch immerhin war es ein lukratives Angebot aus dem Inland. Freudestrahlend betrat Riethenauer die Boxschule und offerierte "Little Adams" das Kampfangebot. 600 Mark netto sollte er für einen Aufbau - Kampf bekommen. Das war seinerzeit viel Geld für einen " Leichten Mann" und für " Little Adams" war es ein Vermögen.. Zunächst war Adams enttäuscht, hatte er doch einen Weltmeisterschaftskampf erwartet, doch dann überzeugte man ihn, dass er erst einen Ausscheidungskampf machen müsse. Da gab es nämlich im hohen Norden Deutschlands einen Boxer namens Lothar Abend. Ein Federgewichtler (bis 57 kg), der Deutscher Profi - Meister war und der gerade einen Kampf um die Europameisterschaft gegen den Franzosen Maurice Tavant verloren hatte. Lothar Abend war der Lokalmatador in der Kieler Ostseehalle, und Lothar brauchte einen Aufbaukampf für einen weiteren Europameisterschaftsfight. Da kam "Little Adams" als Aufbaugegner gerade zum richtigen Zeitpunkt. "Little Adams " sah den Kampf allerdings aus einer anderen Sicht. Für sein Empfinden war er endlich zum großen Star, zum Hauptkämpfer aufgestiegen. Und er wusste, wenn er gewinnen würde, dann bekäme er den Weltmeisterschaftskampf. Auch die CSC - Boxer fieberten diesem Ereignis entgegen und "Little Adams" war plötzlich der Star in der Sportschule. Jeder wollte ihn beraten und jeder wusste eine andere Taktik für den kleinen Nigerianer. Ja, in einigen Zeitungen standen sogar kleine Vorschauen für den Kampf in Kiel. "Little Adams" sammelte alle Notizen über dieses Ereignis sorgfältig. Sie sollten später einmal, wenn er nach Nigeria zurückkehren würde, von seinen großen Erlebnissen in Deutschland berichten. Am 29. April 1966 war es endlich so weit. Schon einen Tag vorher hatte Little Adams sorgfältig sein Köfferchen gepackt und war mit seinem Manager Gerd Riethenauer mit dem Zug nach Kiel gefahren. Dort durfte er sogar zum ersten Mal in seinem Leben in einem richtigen Hotel übernachten. Am nächsten Morgen beim Wiegezeremoniell stand er richtig im Mittelpunkt . Reporter und Neugierige stellten an ihn, den kleinen Mann aus Nigeria Fragen, wie er sich fühle, welche Chancen er sich ausrechnen würde, und er gab sogar einige Autogramme. Allen, die es hören wollten oder auch nicht, sagte "Little Adams" " ich werde gewinnen und werde Weltmeister ! " Ja, und dann stand der kleine Nigerianer in der Kieler Ostseehalle im Rampenlicht. Sein Tag, seine Chance! Vor dem Kampf wieder sein Ritual. Er holte seine goldene Hose , seinen goldenen Bademantel, seine Bandagen, und seine Schuhe aus dem Köfferchen alles mit Akribie zurechtgelegt. Und dann kam endlich der Kampf, der ihm so viel bedeutete vor so vielen Zuschauern in der gut gefüllten Ostsee-Halle in Kiel. " Little Adams" schnupperte die "Ringluft der Großen ". Heute war er einer der ihren. Es sei vorweggenommen, es wurde ein guter, aber kein überragender Kampf. Little Adams war kein schlechter Boxer, doch Lothar Abend, der Ex - Europameister war halt besser. Die Zuschauer waren begeistert, als Little Adams von Abend bereits in der 2. Runde auf die Bretter geschickt wurde. Bei jedem folgenden Niederschlag heftiger Applaus in der Kieler Ostseehalle. Was mochte "Little Adams" wohl gedacht haben, als er da am Boden lag ? Wurde da nicht jäh sein Traum von der Weltmeisterschaft zerstört ? Doch Adams war tapfer und rappelte sich jedes Mal wieder hoch. Die Erlösung kam in der 5. Runde, als der Ringrichter den Kampf abbrach. Doch "Little Adams" hatte mit Würde und Stil verloren, und der Abgangs - Applaus der Zuschauer, der ihm galt, das war für ihn das "Allergrößte" in seiner Laufbahn gewesen. Einmal im Leben war er, der kleine Mann aus Nigeria ins Rampenlicht der Öffentlichkeit getreten. "Little Adams" packte wieder sehr liebevoll seine Utensilien in sein Köfferchen und reiste mit 600 Mark in der Tasche, einer dicken Backe und einem blauen Auge nach Frankfurt zurück. Nur eine kleine Notiz in den Zeitungen, doch für Little Adams war es mehr. Er lebte noch einige Monate in der CSC - Sportschule, arbeitete weiter fleißig als Tellerwäscher, hatte sich letztendlich ein schönes Sümmchen erspart und fuhr eines Tages mit dem billigsten Frachter in seine Heimat Nigeria zurück. Der Traum vom Weltmeisterschaftskampf war für ihn zwar nicht in Erfüllung gegangen, doch "Little Adams" hatte sein Glück in "Golden Germany" gemacht. Ihm reichte das verdiente Geld um sich und seiner Familie in Nigeria ein besseres Leben zu ermöglichen. |
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