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Horst Gauss | |
| Die Schreckensnacht des Slavko KekicEs war im Jahr 1981. Der CSC boxte in der 2. Bundesliga, zwar an letzter Stelle, doch die Sporthalle Süd war trotzdem immer voll. Die Frankfurter wollten ihre Lieblinge sehen. Die Lokalmatadoren damals waren Dieter Holm, Günter Swientek, Hubertus Einschütz, Hobby Gauß und Peter Keller. Nur im Halbschwergewicht hatte der CSC noch keinen Boxer und so freute man sich riesig, als eines Tages ein Jugoslave namens Slavko Kekic im Wasserweg auftaucht und sich just für diese Gewichtsklasse anbot. Slavko sollte ein ganz Großer beim CSC werden, ja er brachte sogar das Kunststück fertig, einmal Markus Bott ko zu schlagen. Doch bis dahin war noch ein langer Weg. Zunächst stand der arme Junge mit einem Koffer und einigen Plastiktüten im Wasserweg, sprach keinen Brocken Deutsch und mußte untergebracht werden. Alle Hotels waren voll, da gerade in Frankfurt Messe war, auch alle Appartements und der " Mäuseturm " (CSC - Terminologie: Zimmer mit höchstens 10 qm, ohne Dusche und Toilette mit Gemeinschaftsbenutzung auf dem Flur), die der CSC für solche Notfälle meistens zur Verfügung hatte, waren besetzt. Was tun? Guter Rat war teuer. Doch es gab noch eine Möglichkeit. In der Oppenheimer Straße 15 war noch ein kleines Zwei - Zimmerbüro, das seit einigen Wochen leer stand und in dem auch noch ein Klappbett war. Für eine oder zwei Nächte konnte man Slavko dort unterbringen. Gesagt, getan. Siavko war nicht so sehr verwöhnt, als daß er nicht mit der Behelfs - Unterkunft zufrieden gewesen wäre. Doch welch kuriose Nacht ihm bevorstand, konnte er nicht ahnen. Denn kaum war Slavko eingeschlafen, wurde er schon wieder wach. Im Nebenzimmer des Büros, das nur durch einen Vorhang von seinem Zimmer getrennt war, hörte er verdächtige Geräusche, so als würden sich da zwei auf dem Boden wälzen und sich lieben. Slavko traute seinen Ohren nicht. Wie waren diese Menschen in das Büro gekommen? Er hatte doch den Büroschlüssel von innen stecken? Sollte er eingreifen? Doch was ging das ihn an, so sagt er sich. Vielleicht war das hier immer so. Vielleicht kommen hier jede Nacht die Boxer, um ihrem Vergnügen nachzugehen. Das Pärchen verschwand wieder, und zwar durchs Fenster, das man anscheinend nicht schließen konnte. Nun ja, was habe ich damit zu tun, dachte sich Slavko und schickte sich gerade an einzuschlafen, als schon , wieder etwas im Nachbarzimmer los war. Diesmal kam jemand zum Fenster hereingeklettert, ging auf die kleine Toilette, die neben dem Bürozimmer lag, verrichtete seine Notdurft, erbrach sich noch und verschwand wieder durch das Fenster. Außer einem üblen Geruch hinterließ dieser Geselle sonst keine Spuren. Slavko kam ins Grübeln. Warum kamen die Boxer hier alle durchs Fenster, warum verhielten sie sich alle so merkwürdig? Slavko versuchte erneut einzuschlafen. Doch die Ruhe währte nicht lange. Diesmal kamen gleich zwei Burschen, sterngranatenvoll, mit Schlafsäcken ausgerüstet durchs Fenster gestiegen, breiteten auf dem Fußboden ihre Schlafunterlagen aus und nach wenigen Minuten schnarchten sie um die Wette. Das kann man doch nicht aushalten, dachte sich Slavko. An Schlafen war schon lange nicht mehr zu denken. Er saß auf seinem Bett und überlegte, was er wohl tun könnte. Slavko konnte nicht wissen, daß es sich bei seinen seltsamen Zimmergenossen beileibe nicht um CSC - Boxer handelte, sondern um ganz gewöhnliche Kiosk - Steher, die vom nahe gelegenen Kiosk (CSC - Terminologie: "Prominententreff") nachts zu diesem willkommenen Nachtquartier eilten. Irgendwie, keiner wußte von wem und warum, hatten sie erfahren, dass das Büro unbewohnt und das Fenster im Garten nicht zu schließen war. Also nutzten die Jungs diese einmalige Chance. Beim CSC wußte man auch nichts von diesem tollen nächtlichen Treiben. Slavko saß noch immer grübelnd auf seinem Bett, als vor dem Büro eine Schlägerei stattfand. Wahrscheinlich stritten sich die Besucher des Prominententreffs um das Nachtquartier. Kurz danach, Slavko ging jetzt in die Offensive und machte das Licht an, da schleppte sich einer der blutüberströmten Schläger zum Fenster und begehrte Einlaß. Anständig wie Slavko nun mal war, half er dem Ärmsten auch noch ins Büro. Dabei stellte er nun aber auch fest, dass seine Zimmergenossen durchaus keine Boxer waren, sondern ganz gewöhnliche Vagabunden, die eher abgewrackten "Schaukelburschen" ähnelten, als normalen Menschen. Doch nun haute es dem Faß den Boden raus. Der letzte blutüberströmte Bursche namens "Whisky", verlangte auch noch ärztliche Hilfe und so mußte der arme Slavko den Verletzten ins "Heilig Geist - Hospital" auf der anderen Seite des Mains bringen. Dort saß er nun und mußte unendlich lange warten. Es war zwischenzeitlich morgens 4 Uhr, als sein "Stallgefährte" endlich verarztet und verbunden zurückkam. Whisky meinte, daß er jetzt zu seiner alten Schlafstelle zurückkehren wolle und lud Slavko herzlich ein, doch mitzukommen. Slavko konnte zwar kein Deutsch, doch , ein Wort ging ihm in diesem Momeht fließend von den Lippen: "Nein, Nein, Nein! " und so verbrachte er den Rest des Morgens schlafend vor dem CSC - Büro im Wasserweg. . Als der CSC - Manager so gegen 8 Uhr sein Büro betrat, fand er Slavko mit einem seltsamen Gesichtsausdruck vor seinem Büro sitzen. Noch seltsamer wurde dessen Gesichtsausdruck bei seiner Frage: "Gut geschlafen, Slavko? " " Karl der Große " aus SachsenhausenEs war einmal ... „Karl der Große“ aus Sachsenhausen
Was wäre der Boxsport ohne die vielen Anekdoten, die sich um die Ringhelden ranken. Da passierten schon die seltsamsten Dinge, an die man sich heute noch gern erinnert. Da gab es im Jahr 1966 in Sachsenhausen einen Mann namens Karl der sich irgendwann einmal in die CSC-Sportschule in der Martin-May-Straße verlaufen hatte und vom dortigen Boxgeschehen so fasziniert war, dass er fortan zum festen Repertoire des CSC zählte. Freilich nicht als Boxer, dafür war Karl mit seinen 40 Jahren nicht mehr zu gebrauchen, doch machte er sich überall nützlich, wo ein Handwerker oder Handlanger gebraucht wurde. Karl war immer und überall präsent. Er sah furcht erregend aus, hatte eine breit geschlagene Nase, ein Relikt von einer vergangenen Straßenschlacht und auch sonst war Karl mit seinen stolzen 100 Kilo ein stabiler Bursche, dem man durchaus abnehmen konnte. Dass er einmal Boxer war, sieht man von seinem Bauch ab. Nur hatte Karl niemals geboxt, obwohl er doch so gerne Boxer gewesen wäre und so erzählte er auch allen, die ihn nach seiner sportlichen Vergangenheit fragten, dass er einst ein Großer im Ring gewesen war. Da kam ihm sein jetziges CSC-Umfeld gerade wie gerufen und so sah man „Karl dem Großen“, diesen Spitznamen hatte er schnell weg, des öfteren mit einem CSC-Trainingsanzug durch Sachsenhausen laufen. Noch öfter sah man ihn mit selbigem Trainingsanzug in den anrüchigen Kneipen lustwandeln. Überall prahlte er mit seiner Boxvergangenheit und dass er jetzt wieder beim CSC als Schwergewichtler boxe. Die Zuhörer mussten es ihm glauben. Schließlich trug Karl ja den CSC-Trainingsanzug, auf dessen Rückseite er sich von einem Schneider noch selbst das Wort „Boxen“ mit großen weißen Buchstaben hatte sticken lassen. Karl der Große durchlebe genüsslich seine von aufgebaute Scheinwelt. Ja, ab und zu sah man ihn auch schatten boxend durch Sachsenhausen laufen und er genoss die bewunderten bzw. rätselnden Blicke der Passanten. Trotz allem war Karl ein lieber Kerl. Stets hatte er auch eine Sporttasche bei sich von der ein paar 12-Unzen-Boxhandschuhe herunter baumelten. So trottete er abends stolz durch Sachsenhausen Richtung CSC-Sportschule, allerdings nicht um zu trainieren, das erzählte er anschließend in den Kneipen, sondern lediglich um dem Boxtraining zuzuschauen und um dabei 4 – 5 Flaschen Bier vorn an der Bar zu trinken. Oft wankte er dann die Eisentreppe der Martin-May-Straße hinunter und schleppte sich zur nächsten Kneipe. Nun wäre das alles nicht so schlimm gewesen und sicherlich wäre Karl der Große noch ein paar Jährchen länger als Pseudo-Boxer durch Sachsenhausen gezogen, doch machte Karl der Große diesem Scheinleben selbst ein jähes Ende. Eines Tages kam Karl mit Trainingstasche und CSC-Anzug zähneknirschend in sein Stammlokal, in Becks-Bierstube. Er setzte sich an den Tresen, fing an zu heulen und schlug immer wieder mit der Faust auf den Tresen: „So eine Gemeinheit, alles Scheiße, ich mach da nicht mehr mit!“ Karl erregte das Interesse der Gäste und auch Wirtin Traudel bekam es mit der Angst zu tun. Die Tränen kullerten die Backen herunter und nur mühsam konnte bzw. wollte er dies verbergen. Ab und zu schaute er linkisch zur Seite, dass er auch ja beobachtet würde. Schließlich bekam Wirtin Traudel Erbarmen und wollte den Grund so vielen Jammers wissen. Karl polterte los: „Ich mach das nicht mehr mit beim CSC. Das ganze Jahr halt ich den Kopp hin und box jeden den man wir vorsetzt. Jetzt am Wochenende boxen wir gegen Marburg. Der Trainer hat mir fest versprochen, das ich boxe und dass ich endlich mal einen leichten Gegner krieg. Jetzt bin ich nicht aufgestellt. Das lass ich mir nicht gefallen!“ Traudel war sichtlich erleichtert, dass nichts ernsteres vorlag und schenkte wieder Bier aus, doch Karl heulte immer noch weiter. Selbst die Gäste bekamen nun Mitleid und schenkten ihm ungeteilte Aufmerksamkeit. Und da legte Karl richtig los. Wen hatte er doch schon alles geschlagen und wie gut er das konnte. Ja, er ließ seiner Phantasie vollen Lauf und merkte gerade noch im letzten Moment, dass er schon bei Cassius Clay angelangt war. Halt, so weit durfte er es nicht kommen lassen. Das würden die Leute ihm nicht glauben. Schnell griff er wieder auf kleinere Gegner zurück. Doch auch die waren fast alle in der Deutschen Spitzenklasse beheimatet. Ja und dann solch eine Gemeinheit, ihn, den „Großen Karl“ nicht bei solch einem kleinen Clubkampf aufzustellen. Die Gäste bekamen große Ohren und lauschten andächtig mit dem Kopf nickend den Worten des großen Boxers, ein Balsam für Karls wunde Seele. Schließlich wurde es Traudel zu bunt und sie rief in der CSC-Sportschule an um zu vermitteln. Vielleicht konnte ja Karl doch noch mit ihrer Hilfe am Wochenende aufgestellt werden. In der CSC-Sportschule klingelte das Telefon und ein verdutzter CSC-Trainer musste eine Schimpfkanonade über sich ergehen lassen, kein Wort verstehend. Was sollte er mit dem Karl machen? Der sollte boxen? Der Trainer fragte die Wirtin, ob sie noch alle Tassen im Schrank habe, der Karl habe doch noch nie in seinem Leben im Ring gestanden. Im Lokal war es plötzlich ganz ruhig geworden, denn Karl der Große stand kurz vor seiner Denunziation. Leicht verlegen schaute er sich um und wurde knallrot im Gesicht. „Lass nur Traudel, ich mach das schon“, bedeutete er der hilfreichen Wirtin und nahm ihr das Telefon aus der Hand. Er schimpfte noch ein wenig ins Telefon, obwohl sein Gegenüber schon längst eingehängt hatte. Dann schlich er kleinlaut aus dem Lokal, kichernde Gäste zurück lassend. Beim CSC entschloss man sich dem Treiben Karl des Großen ein Ende zu machen. Der Junge musste verwarnt werden. Er durfte nicht mehr besoffen in den Kneipen erzählen, dass er beim CSC boxen würde Also besuchte man ihn in seiner Wohnung um in einem klärenden Gespräch alle Klarheiten zu beseitigen. Karls Frau öffnete die Wohnungstür, ihr Mann sei leider nicht zuhause. Die Besucher dürften jedoch gern eintreten. Die Perversion einer perfekten Scheinwelt bot sich den verdutzten CSC-Verantwortlichen. Da hingen doch im Flurmassenweise Boxbilder, Bilder, auf denen Karl der Große in Boxerstellung zu sehen war, Bilder, Karl zusammen mit Mildenberger, mit Lothar Stengel und Rüdiger Schmidtke. Bilder, auf denen man ihn mit erhobenem Arm sah, das Siegeszeichen der Boxer. Die Sprache verschlug es vollends den Besuchern beim Betreten des Wohnzimmers. Da standen doch tatsächlich im Wohnzimmerschrank mehrere Sieger-Pokale und an der Wand hing ein großer goldener Lorbeerkranz mit einer schwarz-rot-goldenen Schleife mit der unglaublichen Inschrift: „Karl für seine großen Erfolge im Boxring“. Das Staunen nahm kein Ende, ja die Betrachter waren sogar beeindruckt. Es war schon phänomenal, was sich der liebe Karl da so alles zurecht gebastelt hatte. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Karl hatte doch noch nie geboxt, woher diese Trophäen? Stolz zeigte seine Frau die vielen Pokale und Bilder: „Ja, ja, mei Karlche!“ Betroffenheit machte sich bei den Besuchern breit. Schnell verließ man wieder die Phantasiewelt und machte sich so seine Gedanken. Als Karl am Abend angeheitert nach Hause kam, erzählte ihm sein treues, gutgläubiges Eheweib von dem hohen CSC-Besuch und dass alle sehr beeindruckt gewesen wären und sich über seine Pokale gewundert hätten. Man sah Karl noch viele Jahre in Sachsenhausen, doch nie mehr beim CSC und nie mehr mit einem CSC-Anzug, geschweige denn mit umgehängten Boxhandschuhen. Verlegen schaute er bei Seite, wenn er einen alten CSC-Bekannten traf. Auch die Trophäen sollen nicht mehr in seiner Wohnung sein ...
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