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Horst Gauss | |
| Erinnern Sie sich noch? Bekannte Boxer – Große Fights – SchicksaleHerbert Schilling, „Der Boxer vom anderen Stern“ So schrieben seinerzeit die Zeitungen über den Zeilsheimer Herbert Schilling, jenen von Gott begnadeten Boxer, der der erste Deutsche Europameister der Amateure nach dem Krieg werden sollte. Und welche Entbehrungen musste der Junge nach dem Krieg auf sich nehmen. Der schönste Tag der Woche war der Freitag, denn da durfte Herbert mit der Frankfurter Staffel im IG-Hochhaus gegen die Amis boxen. Die Jungs wurden mit dem Jeep abgeholt und als Kampfbörse gab´s vier Tafel Schokolade und ordentlich zu essen. Das war wichtiger als Geld. Man schrieb das Jahr 1946, als der kleine Zeilsheimer Bub aus der Steinrutsch 13, zum ersten Mal Handschuhe überstreifte. Schon nach zwei Wochen Training wurde er zu den Meisterschaften gemeldet und der erste Hessentitel ließ nicht lange auf sich warten. Es sollten viele werden. Herbert boxte jede Woche. Irgendwo war immer was los. Er boxte sie alle, solange, bis keiner mehr gegen ihn antreten wollte, denn Herbert war nicht nur ein begnadeter Techniker, sondern hatte auch einen fürchterlichen Bums. Neben der Boxerei lernte er auch noch den Schreinerberuf, eigentlich wollte er Feinmechaniker werden, doch es gab ja damals keine Lehrstellen und Herbert war froh, dass er so unterkam. Nach der Lehre arbeitete er in den Opelwerken und bekam fortan frei für seine Länderkämpfe und die Lehrgänge. Sporthilfe gab es damals noch nicht und auch der Verdienstausfall wurde nicht bezahlt. Herbert musste unbezahlten Urlaub nehmen, musste also noch Geld mitbringen, dass er boxen durfte. Sein Stern ging 1951 auf, als er die Ausscheidungskämpfe zur Europameisterschaft gewann. Ja, der Zeilsheimer Bub durfte mit nach Italien fahren. Einundzwanzig Jahre war er alt und er schlug sie alle in Mailand, Debiz aus Polen, Müller aus der Schweiz, den Jugoslaven Panovic und dann stand er im Endkampf, dass hätte keiner erwartet. Doch welche geringe Chande für den Zeilsheimer, sein Gegner war der Italiener Padovani und gegen den musste er dann auch noch in dessen Heimatstadt, in Mailand, boxen. 22 000 Zuschauer standen wie eine Mauer hinter ihrem Mann und feuerten ihn an. Es war jener Abend, an dem der Zeilsheimer über sich hinauswuchs, an dem er sein großes technisches Können demonstrierte, jener Abend, an dem er so grandios boxte, dass seine Gegner und die Zeitungen ehrfurchtsvoll von ihm sagten, er sei „der Boxer vom anderen Stern“. Schilling schlug den Italiener in der zweiten Runde gleich zweimal zu Boden, gewann so haushoch, dass man ihm den Titel auch im Ausland nicht stehlen konnte. Ja, und dann stand der Zeilsheimer Bub ganz oben auf dem Treppchen und hörte mit Tränen in den Augen die Deutsche Hymne. Er war Europameister im Halbweltergewicht. Doch die schönste Erinnerung war seine Heimkehr, die Heimkehr in seine Heimat nach Zeilsheim. Das Meer der Menschen war unbeschreiblich. 20 000 bis 30 000 mögen es gewesen sein. Der Jubel kannte keine Grenzen. Im offenen Wagen fuhr er von Höchst nach Zeilsheim, jeder wollte ihn umarmen, alle hätte er an liebsten umarmt. In einer Zeit, wo es noch wenig zu essen gab und wo die Menschen noch sehr unter dem verlorenen Krieg zu leiden hatten, hatte er durch den Gewinn der Europameisterschaft seinen Landsleuten Freude bereitet und sie ließen ihn hochleben, den Herbert. Und was gab´s als Prämie für den Gewinn der Europameisterschaft? Herbert erhielt einen Lorbeerkranz, einen Trainingsanzug, eine Sporttasche und mehrere Blumensträuße. Ja, das war´s dann. Nicht zu vergessen das silberne Lorbeerblatt, das ihm Theodor Heuss persönlich überreichte. Im selben Jahr wurde Herbert dann auch Deutscher Meister und auch 1952 errang er die Deutsche Meisterschaft. Sechzehnmal hatte er in der Nationalmannschaft geboxt, seine rechte Hand machte ihm langsam Schwierigkeiten, er konnte nicht mehr so hinlangen wie einst, doch setzte er seine Amateurlaufbahn bis 1958 fort. Insgesamt hatte er 260 mal im Ring gestanden, 135 mal hatte er durch k.o. gewonnen. Dann kam, wie es seinerzeit so üblich war, ein lukratives Profi-Angebot von Herrn Hedderich aus Bleidenstadt und so wagte Herbert noch mit 28 Jahren den Sprung ins Profilager. Doch längst war er nicht mehr „der Boxer vom anderen Stern“, auch wenn sich sein Rekord sehen lassen kann. 48 Kämpfe bestritt er, von denen er neun verlor und sechs unentschieden gestaltete. Deutscher Meister wurde er nicht mehr, doch er sah die Welt und das zählte damals viel. Er war in England, in Persien, in Amerika, fast kein Land wo er nicht boxte Und eine „Sternstunde“ hatte Herbert auch noch mit 32 Jahren, als er dem Weltranglisten-Zehnten, dem Neuseeländer Vorseis, das Konzept verdarb und ihn vor 20 000 Zuschauern in seiner Heimatstadt ins Land der Träume schickte. Doch der Niedergang war unaufhaltsam. Heini Freytag, den er als Amateur geschlagen hatte, schlug ihn in der sechsten Runde k.o.; neun Kilo war Herbert leichter gewesen, doch 5 000 DM, die er für diesen Kampf bekommen hatte, waren damals sehr viel Geld. Seine Laufbahn war zu Ende, doch sein Stern wird nie untergehen und noch heute weiß jeder Bub in Zeilsheim, dass Herbert Schilling ein ganz Großer war. |
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