Horst Gauss

Der Leidensweg des Ali Imeri


Was wäre der Boxsport ohne die vielen Anekdoten, die sich um die Rindhelden ranken. Da passierten schon die seltsamsten Dinge, die nach noch viele Jahre lang die Runde machten. Auch beim CSC gibt es Storys, die man sich immer wieder am Stammtisch erzählt und die in der Erinnerung fortleben. Die DABV-Gewaltigen mögen im nachhinein den einen oder anderen Verstoß verzeihen.

Verjährung gibt es sicherlich auch bei den Boxern. Die meisten erinnerungswürdigen Ereignisse fanden komischerweise immer in Bayern statt und so geschah es auch im Mai 1984 als der CSC zum alles entscheidenden Kampf um die Deutsche Meisterschaft in Eichstätt antreten musste.

Eigentlich war der Kampf nur noch eine Formsache, die T-Shirts mit der Aufschrift „CSC Deutscher Meister 1984“ waren schon gedruckt. Doch kann kam der Hammer !

4 Tage vor dem Eichstätter Kampf wurde CSC-Bantamgewichtler Stefan Gertel vom DABV mit Rücksicht auf die olympischen Spiele, wegen eines vorausgegangenen Kieferbruchs gesperrt.

Unverständlich, zumal Stefan danach wieder geboxt hatte. Doch nun stand der CSC da.

Ali Imeri, der etatmäßige Federgewichtler des CSC, der also normaler weise in der 57-Kilo Klasse boxte opferte sich für den Verein und erklärte sich bereit in der 54-Kilo-Klasse (Bantamgewicht) zu boxen um den wichtigen Mannnschaftspunkt für seinen CSC zu retten. Ali kam mittwochs ins Training und brachte stolze 59 Kilo auf die Waage, also 5 Kilo mehr als Bantamgewicht.

Ein fast aussichtsloses Unternehmen. Und ausgerechnet sollte er in dieser Klasse nun nun in Eichstätt gegen Mazuga, den ehemaligen polnischen Meister ran.

Ali hatte drei Tage Zeit sein Limit zu bringen und er trainierte und saunierte wie ein Verrückter.

Bis zum Samstag zur Abfahrt der Mannschaft nach Eichstätt hatte er 57 Kilo.

Jetzt begann Alis richtiger Leidensweg. Schnell musste er noch mal in die Sauna, die Bus-Mitreisenden mussten noch eine Stunde warten. Dann hatte Ali 56 Kilo. Noch zwei Kilo mussten als runter. Das altbewährte Hausrezept Lassex musste herhalten. ( bitte verzeiht, dass wir so etwas schon damals ab und zu genommen haben.

Der Harndrang bei Ali war natürlich groß und folglich musste der Bus alle 20 Kilometer halten und 40 Bus-Insassen durften sich stets das gleiche Zeremoniell ansehen, wie der kleine Ali, kaum, dass der Bus angehalten hatte, ins Freie stürzte, verzweifelt einen Busch oder Baum suchte, um dann kräftig zu pinkeln.

Die CSC-Crew hatte sich in der Nähe von Eichstätt in einem kleinen Dorf eine alte ehrwürdige Pension ausgesucht, eine Pension, deren Besitzer und Gäste vom Boxen nichts wussten , die vielleicht mal Muhamad Ali im Fernsehen gesehen hatten, aber ansonsten nichts von der Materie kannten.

Der Wirt und vereinzelte Gäste in der Gaststube staunten nicht schlecht, als da neben normal aussehenden Anreisenden noch so ein kleiner unscheinbarer kreidebleicher Kerl mit einem Handtuch über dem Kopf und einem unsagbar leidvollen Gesichtsausdruck hereinhuschte, flankiert von mehreren wild um sich gestikulierenden Betreuern. Ob es dem jungen Mann schlecht sei, wollte die besorgte Wirtin wissen.

Die nervösen Betreuer wollten nur wissen wo eine Badewanne wäre und natürlich die Zimmer. Dann lief der kleine Ali schattenboxend über die knarrende Flurdiele und weckte natürlich durch sein Schnaufen die Pensionsgäste, die gerade ihren Mittagsschlaf hielten.

„Oben rennt ein Geisteskranker durchs Haus“, wurde dem Wirt alsbald kund getan, ob man irgendwie helfen könne.

Ja, man konnte, und speziell der Wirt, der nun überhaupt nicht mehr die Welt verstand, denn Trainer Olaf Rausch wollte von ihm Kochsalz, so viel wie er nur eben auftreiben könne.

Gäste und Wirtsleute schauten sich fragend an, solch komische Gäste hatte man noch nie hier im Ort.

Doch es blieb gar keine Zeit zum überlegen, das muntere Treiben ging lustig weiter.

Während Ali weiter schnaufend durch die Pension stapfte, füllte sich langsam die Badewanne im ersten Stock mit herrlich warmem Wasser. Der Wirt hatte 2 Kilo Kochsalz auftreiben können und brachte dasselbe ins Badezimmer, wo seltsamerweise Trainer, Betreuer und Schaulustige, ja, sage und schreibe 6 – 8 Personen herumliefen.

Nun wurde es dem Wirt aber doch zu bunt und er wollte wissen, was hier eigentlich gespielt würde. Es konnte ja nicht wissen, dass ein warmes Bad, zudem mit Kochsalz verstärkt, nochmals schweißtreibend wirkte. Und Ali muste ja noch Gewicht machen.

Doch man hatte gar keine Zeit zu antworten, denn schon enthüllte sich der kleine Ali, warf Bademantel und Handtuch weg und stand nackt vor ihm. Olaf hatte zwischenzeitlich das Kochsalz in der Wanne gleichmäßig verteilt und Ali bestieg nun unter den Augen der Betreuer, Gäste und des Wirtes die Wanne.

Ach so, dachte sich der Wirt, der will mal baden, warum sagte man ihm das nicht gleich. Ist doch nichts schlimmes.

Aber warum dann so viele Leute und das Kochsalz ?

Er hätte den komischen Frankfurtern doch Badesalz oder „Badedas“ gegeben.

Er schickte sich nun an, die Leute aus dem Badezimmer zu schicken, denn der kleine Ali in der Wanne machte einen erbärmlichen Eindruck und immer wieder hörte er jemanden rufen: „Ali, Du schaffst das schon“!

Doch was sollte der schaffen, so fragten sich die Gäste und der Wirt.

Endlich aufgeklärt, konnte der Wirt immer noch nicht verstehen, dass da wegen ein paar Gramm solch ein Aufwand gemacht wurde. Ali lag in der Badewanne wie ein Toter.

Nach 20 Minuten wurde er vom wohl schlimmsten Bad seines Lebens befreit.

Einer schleppte die Waage vors Badezimmer. Ali wurde abgetrocknet und das Gewicht stimmte. Aber ob die CSC-Waage wohl genau ging ?

Doch der Metzger, jetzt aufgeklärt und voller Verständnis, wusste Rat. Ali sollte sich auf die Metzgerwaage in der „Worschtküch“ stellen, die aufs Gramm genau ging.

Die wiederum konnte man nur erreichen, wenn man durch die Gaststätte ging. Also ging die illustre Gesellschaft incl. Wirt und halbnacktem Ali ins Parterre und marschierte schnurstracks zum Entsetzen der Wirtin und der anwesenden Gäste durch die Gaststube in die „Worschtküch“.

Der Wirt, nun in die Materie eingeweiht, ging mit Kennerblicken voraus. Es fehlten immer noch 100 Gramm zu den 54 Kilo.

Der Tragödie letzter Akt: Ali schaffte sein Gewicht, nachdem er nochmals in die Badewanne gestiegen war und er nochmals dick eingepackt in Morgenmatel und Handtüchern seilspringend und schattenboxend sich bewegt hatte.

Beim offiziellen Wiegetermin hatte Ali sogar noch 100 Gramm Untergewicht und der Jubel im CSC-Lager kannte kein Ende. Ali hatte somit dem CSC einen wichtigen Punkt gerettet.

Er verlor zwar knapp seinen Kampf gegen den überstarken Mazuga, der natürlich auch noch Heimvorteil hatte, aber der CSC hatte den wichtigen Mannschaftspunkt. .

Trotzdem verlor der CSC diesen entscheidenden Bundesligakampf in Eichstätt, da auch Dieter Holm und Peter Geier ihre Kämpfe unerwartet verloren. und somit ging die Deutsche Meisterschaft noch im letzten Augenblick flöten.

Besagte Wirtsleute jedoch schütteln noch heuten den Kopf, wenn sie an die „komischen Boxer aus Frankfurt “ erinnert werden.