Horst Gauss

Rückblick auf Frankfurter Boxszene von 1909 bis 1995

Es war das Jahr 1995, als Jean-Marcel Narz, der ehemalige Manager vom Sauerland-Stall an mich herantrat, ihm bei der Veranstaltung Henry Maske gegen Egerton Markus in der Frankfurter Festhalle mitzuhelfen. Damals war alles noch nicht so profimäßig und so sorgte ich für Maske´s Trainingsstätte in Neu Isenburg, für seine Hotel-Unterkunft im Kempinski, für die Betreuung seiner Sparringspartner, für den Vorverkauf, für die Helfer in der Festhalle, für die örtliche Pressearbeit usw. Es kamen 10.000 Zuschauer in die Festhalle, es wurde ein großes Boxsport-Event.

Außerdem bat mich Narz, eine Story über das Frankfurter Boxen für die umfangreiche Programm - Illustrierte " Box- Friends" zu schreiben:
Hier die wortgetreue Wiedergabe der Ausgabe vom 11.Februar 1995

HORST GAUSS ÜBER FRANKFURT!

Frankfurts „Gut Stubb“ sah große Boxer und große Kämpfe! Ein Rückblick in die Frankfurter Boxgeschichte von Horst Gauß

Die Festhalle, 1909 gebaut, damals Europas größter freitragender Kuppelbau und das Messesymbol seiner Zeit schlechthin, ist heute eine Legende im modernen Gewand. Von den Frankfurtern wird sie seit jeher liebevoll die „Gut Stubb“ genannt. Für Boxkämpfe war sie durch ihre einmalige Konstruktion bestens geeignet und so gaben hier natürlich alle grossen deutschen Boxer ihre Visitenkarte ab. Egal wie sie hiessen, ob Heußer, Schöppner, Müller, Stretz oder Scholz. Selbst der große Max Schmeling boxte hier am 25,02.1928 als Europameister gegen den englischen Zigeuner Gipsy Daniels, was glauben Sie wie damals der Kampf ausging?

Maxe ging bereits in der ersten Runde Ko, ein einmaliger Ausrutscher in seiner Karriere. Dennoch sollte er 2 Jahre später Weltmeister und danach Deutschlands Sportidol Nr. 1 werden. Die großen Kämpfe von Max Schmeling sah die „Gut Stubb“ allerdings nicht. Erst in den sechziger Jahren avancierte die Festhalle zur Arena großer Boxkämpfe und diese Zeit ist eng mit dem Namen Karl Mildenberger verbunden. Von 1963 bis 1968 war die Festhalle seine Hochburg, hier war er der Publikumsliebling und hier eroberte er erstmals die Herzen der Frankfurter, als er im November 1961 in einem packenden Kampf den Weltranglistenmann Howard King aus Amerika überzeugend schlug. Weitere große Siege über Piero Tomasoni , Yvan Prebeg und Gerhard Zech festigten seinen Ruf als Lokalmatador, Die Krönung für Frankfurt und für „Milde“ war dann sein Weltmeisterschafts-Kampf gegen Muhammad Ali im Frankfurter Waldstation am 10.09.1966. Fast 40.000 Zuschauer erlebten seinerseits den besten Mildenberger, den es je gab, als er Muhammad Ali in der 12. Runde nach tapferer Gegenwehr unterlag, Die Frankfurter sahen dann aber auch „Mildes“ Stern sinken, als er im September 1967 in der Radrennbahn vom argentinischen Pampas-Star Oscar Bonovena demoliert wurde.

Die sechziger Jahre sahen jedoch nicht nur „Karl den Großen“. Eingeleitet wurde das beste „Frankfurter Jahrzehnt“ durch Frankfurts „Bösen Bub“ Ossi Büttner, der am 06.02.1960 in der Festhalle sensationell den Weltranglisten – Boxer Jimmy Slade in der 2., Runde durch Ko.besiegte. Büttner, von den Frankfurtern gleichermaßen geliebt und gehaßt, leider zu sehr dem süßen Leben verfallen, konnte solch ein Erfolg allerdings nicht wiederholen. Gute Frankfurter Profi-Boxer der ersten sechziger Jahre waren der noch heute tätige Ringrichter Kurt Ströer, Erich Walter, Manfred Schneider, Nic Sührig und natürlich der erste Deutsche Amateur-Europameister nach dem Krieg (1951), der Zeilsheimer Herbert Schilling.

Doch ein anderer Boxer aus dem hiesigen Raum machte damals, Anfang der sechziger Jahre international von sich reden. Es war der Offenbacher Mittelgewichtler Heini Freytag, der geschickt von seinem agilen Manager Walter Fischer in die Europarangliste geführt wurde und der dann überraschend im Juli 1961 den „Aap aus Kölle“, Peter Müller in der 5. Runde bezwang.

Im Januar 1962 verlor dann Heini Freytag gegen den Schotten „Cowboy“ Mc. Cormack um die Mittelgewichts-Europameisterschaft. Allerdings war „Heuniii“, wie ihn die Frankfurter zuriefen, durch eine vorausgegangene Gelbsucht geschwächt. Die Festhalle war fast bis auf den letzten Platz gefüllt, doch der wackere Zimmermann, Heini Freytag aus Offenbach, der erst sehr spät Profi geworden war, schrieb damals Boxgeschichte. Auch Lothar Stengel aus Kaiserslautern war seinerzeit ein Magnet der Festhalle. Im Dezember 1967 holte er „Pierro del Popa vom Stengel“, so schrieben damals die Journalisten, als Lothar Stengel in der Frankfurter Festhalle gegen den Italiener den Europameistertitel im Halbschwergewicht erkämpfte. Sein Angriff auf den Weltmeistertitel scheiterte dann allerdings am großen Harold Johnson. Dann ging der Stern von Rüdiger Schmidke auf, jenem Jungen, der nie Amateur war und der, als er bei seiner Ankunft in Frankfurt einen Boxclub suchte, beim Hundeverein (Boxverein) am Waldstadion landete. Sein grandioser Sieg über den hohen Favoriten Wilhelm von Homburg im November 1968 in der Festhalle katapultierte ihn in die Europarangliste. Auch ihn hatte der rührige Offenbacher Manager Walter Fischer nach vorn gebracht. Halbschwergewichts-Europameister wurde Rüdiger dann am 14.11.1972 in London gegen den ehemaligen Olympiasieger Chris Finnegan.

Die große Krise bei den Profiboxern in den siebziger Jahren machte sich natürlich auch im Hessischen Raum bemerkbar. Es bewegte sich nicht viel. Lediglich die Zwillingsbrüder Kurt und Randolph Hombach aus Offenbach, zwei eisenharte Burschen, wurden Deutsche Meister im Welter- und Halbmittelgewicht. Dafür war in den achtziger Jahren die „Gut Stubb“ wieder der Anziehungspunkt für die Boxfans. Es begann mit dem Frankfurter Schwergewichtler Reiner Hartmann, der heute in Amerika lebt. Im September 1982 zog er immerhin fast 6000 Zuschauer zum Titelkampf um die Deutsche Meisterschaft gegen Bernd August in die Festhalle. Doch der Titel blieb bei Reiner zunächst ein Traum. Bernd August blieb Deutscher Meister. Deutscher Meister wurde der Frankfurter erst in der Revanche im Jahre 1983.

Einem anderen „Frankfurter Bub“ gelang dann allerdings der große Wurf. Am 09.07.1983 wurde der Frankfurter Filegran-Techniker, Jean Andre´ Emmerich, heute ein anerkannter Kunstmaler, gegen Erwin Heiber, Deutscher Meister im Super Weltergewicht. Manni Jassman, der so sympathische Junge aus Karbach, unterlag bei der gleichen Veranstaltung in einem dramatischen Fight um die Europameisterschaft im Halbschwergewicht dem holländischen Titelverteidiger Rudi Kopemans. Und dann kam er, Deutschland „Golden Boy“ der achtziger Jahre. Einer der alle in seinen Bann zog, eine schillernde Figur, aber ein untadeliger Sportsmann, dem der Deutsche Boxsport viel zu verdanke hat. Rene´ Weller füllte die „Gut Stubb“ gleich dreimal. Die Halle war im Oktober 1983 randvoll beim aminösen WAA-WM-Fight gegen einen undiskutablen Weltmeister namens Ortega, der Rene´ einen zweifelhaften Weltmeistertitel bescherte. Doch seine Europameisterschafts-Fights in den Jahren 1984 und 1985 gegen Cusma, Feeny und Geoffray ließen alle Skeptiker verstummen.

Statt der Profis machten nun die Amateure des CSC Frankfurt von sich reden. „Die klaa gut Stubb“, nämlich die Sporthalle Süd in Sachsenhausen platzte oftmals aus allen Nähten wenn der CSC am Sonntag morgen boxte. Dieter Holm, die Gebrüder Gertel, Gerhard Jaworowski, Alexander Künzeler oder Hobby Gauss hießen die Amateuerstars die die Frankfurter Boxfans anzogen. Drei Deutsche Mannschaftsmeister-Titel holte die Frankfurter Jungs.

Mit dem heutigen Mega-Fight des Henry Maske, der dem Boxsport durch sein sauberes Auftreten und seinen akademischen Stil so viele neue Boxanhänger zuführte und dem alle Frankfurter Boxfans ganz fest die Daumen drücken, schließt sich vorerst der Veranstaltungsreigen, den sein Freund Max Schmeling vor genau 67 Jahren hier in Frankfurts „Gut Stubb“ eröffnete.

Horst Gauss, Jahrgang 1937, ist als Präsident und Herausgeber der Vereinszeitschrift „Ring frei“ die treibende Kraft beim Amateurligisten CSC Frankfurt-Sachsenhausen. Früher war er selbst ein erfolgreicher Amateurboxer.